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OMNIA Nr. 4

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Februar 2017 - Ausgabe

Februar 2017 - Ausgabe #05 Weihnachten Es gibt in uns Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Berührung und Begegnung durch die Herzenstür... wenn gottes kind kommt von norden oder süden, osten oder westen, auf berge, in städte oder ans meer, dann wird es zeit die türen zu öffnen, weit offen die herzenstür (Aus: „Der andere Advent“ 2011/12) Jedes Jahr, Anfang Dezember, tappe ich in dieselbe Falle - kaum ist Advent, steigt mein Anspruch, das Haus und die Familie (bedauerlicherweise oft wirklich in dieser Reihenfolge) in vorweihnachtliche Stimmung zu bringen. Es wird dekoriert, gebastelt, gebacken und geputzt - zum Innehalten, Plaudern und Musizieren reicht dann weder die Zeit noch die Energie. Und jedes Jahr brauche ich wohl ein paar Tage in dieser Unruhe und Hektik, um schlussendlich wieder meine Spur zu finden. Seit mittlerweile acht Jahren hilft mir dabei der Kalender „Der andere Advent“. Mit durchaus christlichen, aber wunderbar weit gegriffenen Gedanken und Geschichten bereichert er meine Tage im Advent und ist maßgeblich an meinem Mut, stimmige Weihnachten für uns zu kreieren, beteiligt. Was ist es eigentlich, was uns in der stimmungsgeladenen Weihnachtszeit so dünnhäutig, rührselig und erwartungsvoll macht? Wohl kaum der gelebte Glaube. Die Kirchgänge, das gemeinsame Gebet, die täglichen Besinnungszeiten rund um den Adventskranz mit versammelter Familie? Ich bezweifle auch, dass es die Erinnerung an all das ist. Für mich sind andere Gründe naheliegender. Diese Zeit wird „rundum“ und monatelang emotional aufgeladen. Zudem liegt Weihnachten in der dunkelsten Zeit des Jahres, die uns durch den Jahreswechsel, die Rauhnächte und die damit verbundenen Themen führt und empfindsam macht. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass uns dieses Fest schlicht und einfach vor Augen führen will, was wir an Familie haben und leben. Es gibt diese tiefe Sehnsucht in uns Menschen, die allein durch das Feiern der Geburt Christi nicht (mehr) befriedigt wird. Wir sehnen uns nach Momenten des Glücks und des Friedens, eingebettet in die Anwesenheit jener Menschen, die uns am nächsten sind. Ja, unsere Herzenstüren sind geöffnet und schreien nach wirklichen Begegnungen! Das ist Chance und Gefahr zugleich. Es braucht einen achtsamen Umgang mit all den unausgesprochenen und im Verborgenen liegenden Wünschen und Erwartungen. Es liegt ein Zauber in der Weihnachtszeit, zweifelsohne. Er wird uns aber nur dann erreichen, wenn wir ihn ein Stück weit bewusst mitgestalten - und die Berührung auch zulassen. In der Konstellation unserer Patchworkfamilie bin ich schon seit Jahren gefordert, die Bedürfnisse aller Familienmitglieder in das Weihnachtsfest zu packen. Eine Gratwanderung, die mich oft mehr Kraft und Zuversicht kostete, als ich hatte. Der Weg zu einem entspannten und in unseren Augen „echten“ Weihnachtsfest war ordentlich steinig. Ich erinnere mich an einen Weihnachtsabend, an dem wir das Fest, nachdem die angespannte Situation nach wenigen Minuten eskaliert war, abbrachen, tief durchatmeten, die Räume lüf- 76

KIND SEIN teten und schließlich „neu“ begannen. - Es wurde zu einem der fröhlichsten Weihnachtsfeste, die wir je miteinander erlebt hatten. So grotesk es anfangs war, so ehrlich rückten wir in diesen Stunden zusammen. Seither liegen die Wertigkeiten des Weihnachtsabends klarer vor uns. Mit verschiedenen Experimenten näherten wir uns dem, was für uns ein stimmiges Fest ist. Nach vielen Höhen - und Tiefen - fanden wir den Sinn des Weihnachtsabends darin, uns in einem feierlichen Rahmen zusammenzusetzen, miteinander ins Ge-spräch zu kommen, etwas voneinander zu erfahren, uns gegenseitig zu erzählen und zu hören, was uns im vergangenen Jahr berührt hatte. Wir schenken einander Geschichten, in denen wir alle einen Platz haben. Damit ist es für unsere bunte Familie wieder möglich, ein schönes Weihnachtsfest zu erleben - einfach, weil es uns auf einer tieferen Ebene berührt. Die ersten Weihnachten, die wir „anders“ feiern wollten, sind für mich nach wie vor die eindrücklichsten. Die Kinder waren damals im Alter von 17, 12 und 8 Jahren. Im Wohnzimmer stand der Christbaum, nur mit ein paar Kerzen geschmückt. Die Christbaumkugeln hatte ich in die Mitte gelegt und wir versammelten uns im Kreis. Nach einer Symbolgeschichte zum Thema Dankbarkeit spannte ich den Bogen zu unserem „leeren“ Christbaum. „Dieser Baum“, so leitete ich ein, „steht nun eine ganze Weile in unserem Haus. Die letzten Jahre habe ich ihn behängt, ohne mir viele Gedanken dabei zu machen. Dieses Jahr ist es mein Wunsch, dass wir ihn gemeinsam schmücken. Jede einzelne Christbaumkugel soll für etwas stehen, worüber wir uns im vergangenen Jahr gefreut haben, wofür wir dankbar sind, das wir gerne in Erinnerung behalten möchten oder das wir in die Welt gebracht haben. Wer mag beginnt, einer nach dem anderen, ohne bestimmte Reihenfolge - die anderen hören zu…“ Zuerst fielen ein paar ungläubige Blicke. Unbeirrt nahm ich die erste Kugel und fing an zu erzählen. Die Tür, die sich damit öffnete, ließ uns alle in einen Raum eintreten, in dem wir uns gesehen, gehört und wahrgenommen fühlten. Unsere Geschichten holten die schönsten Momente aus den vergangenen Monaten noch einmal her, wir lachten und weinten miteinander und ehe wir uns versahen, waren zwei Stunden vorüber. Schließlich standen wir vor unserem geschmückten, so unglaublich wertvollen Weihnachtsbaum und fühlten so etwas wie einen tiefen Frieden in uns. Weihnachtsfrieden. Seither sind fast neun Jahre vergangen und es ist ein unausge-sprochenes Bedürfnis, eine Erwartung geworden, das Weihnachtsfest auf unsere Art zu feiern. Vor sieben Jahren durfte unsere Familie noch einmal wachsen und es ist besonders schön zu erleben, wie der Kleinste schon Freude hat sich mitzuteilen und uns von seinen „Geschenken des Himmels“ erzählt. Wir muteten diese Art Weihnachten zu feiern auch schon unserer erweiterten Familie zu - die Großeltern waren da schon ein wenig gefordert - die Möglichkeit aber, einander in diesem Rahmen manche Dinge zu sagen, war berührend für uns alle. Es muss nicht immer ein leerer Weihnachtsbaum sein! Ich probierte im Laufe der Jahre Vieles aus und gestaltete mit unterschiedlichen Methoden dieses „Einander erzählen“: mit aufgelegten Schatzkarten oder Symbolgegenständen, die unter dem Christbaum drapiert waren, mit Herzen aus selbsttrocknendem Ton oder Geschenkbändern, die beschriftet und an den Baum gebunden wurden. Das Element der persönlichen Geschichten ist dabei immer eingebettet in eine Symbolgeschichte und verschiedene Weihnachtslieder. Und als unser Jüngster die Geschichte von Maria und Josef kennenlernte, fand auch die Kinderbibel wieder ihren Platz unter dem Christbaum. Mit all meinen Erfahrungen und Erlebnissen möchte ich ermutigen, das Weihnachtsfest nach den wirklichen Bedürfnissen der Familie zu gestalten. Ein genaues Hinspüren, was euch am Weihnachtsabend wichtig ist, ist dabei der Anfang. Bei großen Veränderungen ist es sicher von Vorteil, die Mitfeiernden ein wenig auf eine „Überraschung“ vorzubereiten... Werdet nicht müde dranzubleiben, in euch zu hören, auszuprobieren, kreativ zu sein und euch auf euer Gefühl zu verlassen. Im großen Kreis des Lebens sind wir alle eingebettet mit unseren Bedürfnissen, unseren Wünschen und unserer Spiritualität. Nehmt euch die Freiheit, so zu gestalten und zu feiern, wie es euch berührt. - Damit kommt ihr dieser tiefen Sehnsucht nach, die uns in dieser Jahreszeit alle erfasst! Daniela Schwarzmann-Spalt 77

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