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OMNIA Nr. 2

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Mai 2016 - Ausgabe #02

Mai 2016 - Ausgabe #02 Ein Tag im Tipilager Heute ist der dritte Tag. Die Nacht verlief ruhiger als die erste, die meisten Kinder schliefen bis gegen 7 Uhr. Eine Gruppe machte sich bereits nach 6 Uhr selbstständig zu einem Wildbeobachtungsrundgang auf. Ich liege noch in meinem Schlafsack, als das Feuer im Aufenthaltstipi bereits knistert. Irena spielt die Flöte, auch für mich das Zeichen aufzustehen. Wie geht es heute wohl Sarah und Lars, die gestern zwischendurch Heimweh hatten? Wenn sie heute ohne große Probleme durchhalten, dann schaffen sie es sicher auch bis zum Ende der Woche. Der Kakao und der Porridge sind auf dem Feuer, der Rest des Morgenessens steht bereit. Bei unserem Dankeslied singen bereits viele Kinder mit. Als Input für den geheimen Platz erzählt Manuel von seinen Beobachtungen von heute Morgen. Er sah, wie vier Ameisen eine Raupe transportierten. Bis zum Ameisenhaufen verfolgte er die kleinen Tiere. Er kam deshalb sogar fast zu spät zum Frühstück! Peter, aus der Gruppe der Frühaufsteher, erzählt von den beiden Rehen, die sie gesehen haben. Die Begeisterung ist geweckt, es machen sich nun alle auf zu ihrem geheimen Platz. Was gibt es wohl heute für Geschichten? Wie gut können sich die Kinder an die Regel, ruhig zu beobachten, halten? 78 Foto: Simon Hasler

KIND SEIN Ich genieße die Viertelstunde auf meinem geheimen Platz. Die Ameisen sind heute unter meiner Lärche schon recht aktiv, Vögel sehe ich anfangs fast keine. Plötzlich entdecke ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Es sind Joel und Jasmin, die zwischen den Bäumen abwärts schleichen. Ich beobachte, wie sie sich dem Fichtenjungwuchs nähern und freue mich, dass sie sich so leise und aufmerksam bewegen. 44 Kinder sind sehr lebendig. Sobald ich ihre Aufmerksamkeit gewonnen habe, können sie jedoch erstaunlich lange ruhig sein. Bei der Einführung zum Nachmittagsthema „Hühner rupfen und zerlegen“ haben alle aufmerksam über eine halbe Stunde zugehört. Das Thema macht die Konsequenz unseres Fleischkonsums bewusst: Wenn ich Fleisch esse, muss ein Tier dafür sterben. Da wir nicht nur reden, sondern am Nachmittag drei Hühner selbst rupfen, zerlegen und kochen, bekommt das Thema Bedeutung und regt die meisten Kinder zu tiefgehendem Nachdenken an. Genau das ist unser Ziel. Ich finde es wichtig, dass wir uns Gedanken über das Leben und Sterben, das Fleischessen und die Auswirkungen weiterer Lebensgewohnheiten machen. Da gibt es häufig keine einfachen Lösungen, sicher aber verschiedene persönliche Wahrheiten. Das Rupfen der Hühner ist freiwillig. Viele Kinder schauen zu, einige legen selbst Hand an. Neugierde wechselt mit Abneigung. Das Ausnehmen finden viele Kinder eklig, und doch möchten sie wissen, welches das Herz ist, ob das Ei im Bauch „echt“ und wie lange der Darm ist. Adrian, Tim und Jaqueline haben am meisten Ausdauer, sie nehmen zwei Hühner praktisch selbstständig aus. Am Abend singen wir gemeinsam im Aufenthaltstipi. Heute kommt bereits mehr Stimmung auf, beim „Oh me yate ya he“ trauen sich zwei Gruppen vorzusingen. Während der anschließenden Geschichte über Tom Browns Erlebnis im Lager der Fischer sind alle still und hören aufmerksam zu. Einige sind bereits müde, der kleine Nils schläft sogar noch während der Geschichte ein. Sobald es dunkel ist, steht eine Mutprobe an. Das Ziel ist, eine Viertelstunde allein im dunklen Wald zu sitzen. Davide erklärt, wie es abläuft. 12 Kinder machen mit. Simon Hasler ANZEIGE 79

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