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OMNIA Nr. 16

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Juni 2020 – Ausgabe

Juni 2020 – Ausgabe #16 Patanjali, Vater des Yoga Er lebte zwischen dem 2. Jahrhundert vor und dem 4. Jahrhundert nach Christus. Genauer kann man seine Lebenszeit in den Überlieferungen nicht nachvollziehen, dennoch lässt sich das „Yogasutra“ ihm zuordnen. Es ist der erste Leitfaden für Yoga und gilt heute noch als Standardwerk. In der indischen Kunst wird Patanjali als Mischwesen mit einem Schlangenunterleib und dem Oberkörper eines Mannes dargestellt, der seine Hände zur Gruß- und Bethaltung gefaltet hat. Über seinem Kopf fächert sich eine vielköpfige Schlange auf. In der Praxis des Yoga spielt die Ausrichtung eine entscheidende Rolle. Eine Körperübung (Sanskrit: Asana) beispielsweise ist nach dem indischen Gelehrten Patanjali die Ausrichtung auf ein stabiles und feines, bewusstes Sein. Dein Leben, mit oder ohne Yoga, ist nichts anderes als ein Spiegel deines Bewusstseins. Die Frage ist nur: Worauf richtest du dich aus? Wir leben gerade in einer Zeit, in der die Ausrichtung vieler Menschen mit Angst verbunden ist: Da gibt es die Angst vor einem tödlichen Virus, die Angst vor einer ökologischen Katastrophe durch den Klimawandel, die Angst um die eigene monetäre Absicherung aufgrund Weiterlesen Wald-Yoga Die acht Strahlen der Sonne von Reiner Angermeier Synergia Verlag 2019 E 16.90 eines möglichen Zusammenbruchs des kapitalistischen Systems usw. Die kollektive Verunsicherung wird dabei maßgeblich durch Medien verstärkt, die die vermeintliche „Wahrheit“ entweder bewusst verschleiern oder gekonnt manipulativ überbetonen. Wir wissen also nicht mehr wirklich, wem und was wir tatsächlich glauben können. Wir haben allerdings in jedem Augenblick unseres Daseins die Wahl, ob wir nur mit Smartphone, Social Media und aktiviertem Live-Ticker durchs Leben gehen oder den Gang in die Natur und in den Wald antreten, um uns dort auf die Suche nach einer anderen Wirklichkeit, einer natürlicheren Art der Verbundenheit zu machen. Viele versuchen heutzutage ihr Leben komplett fernab der Natur zu leben, aber um welchen Preis? Durch den Auszug aus dem Wald, unserem natürlichen Zuhause über viele tausende von Jahren, sind wir als Kollektiv im Grunde nur krank geworden. Im Wald-Yoga ist uns diese Entfremdung bewusst und wir versuchen, uns wieder auf unsere Natürlichkeit einzuschwingen. Schließlich leben es uns die Tiere und Pflanzen in ihrem natürlichen Umfeld rund um die Uhr vor. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht als Besucher oder Konsumenten in den Wald gehen, also wieder etwas HABEN wollen, sondern möglichst ohne Konzept, Vorstellung oder einen tiefergehenden Anspruch. Im Yoga sind wir zudem immer „Anfänger“. Nicht, weil wir dumm sind und nichts dazulernen, sondern weil die fortlaufende Ausrichtung auf den Anfang und damit auf die Gegenwart essentiell für die Praxis des Yoga ist. Yoga geschieht immer im Hier und Jetzt. Hier, an diesem Ort, an dem ich die Erde unter meinen Füßen oder Sitzbeinhöckern spüre, und jetzt, in diesem Moment, in dem ich den Lufthauch auf meiner Haut fühle, die Vielfalt im Wald rieche und den Gesang der Vögel höre. Die Wahrnehmung über die Sinne hat im Wald-Yoga einen besonderen Stellenwert. Der Fachausdruck im Yoga hierfür ist „Pratyahara“, was ich gerne mit „Urwahrnehmung“ oder „Meisterschaft über die Sinne“ übersetze. Es geht also nicht darum, im Wald abzuschalten oder den Fokus nur auf einen Aspekt zu richten, sondern darum, so viel wie möglich mitzubekommen. Das ist mit dem Begriff „Urwahrnehmung“ gemeint. Ein Tier, welches jederzeit Foto: Shutterstock - © Reiner Angermeier 32

Über die Anbindung an die Erde, die dich trägt, erfährst du Kraft. damit rechnen muss, zur Beute für ein anderes zu werden, kann es sich nicht erlauben, nur fragmentiert wahrzunehmen. Es muss ständig hellwach sein und gleichzeitig entspannt. Als wir noch selber wie Tiere im Wald lebten, war das bei uns ganz genauso. Es entspricht weitaus mehr unserer Natur, jeder Erscheinung um uns herum vollkommen gewahr zu sein, als beispielsweise einen Computer bedienen zu können. Im Einklang mit unserer Natur zu leben bedeutet, die Sinne wieder zu schärfen und sie zusammenzuführen. Das betrifft in erster Linie die drei „leichten Sinne“ Sehen, Hören und Fühlen. Das heißt, wenn wir uns im Wald bewegen, sind wir stets fühlend anwesend und können die Vielfalt gleichzeitig sehen, hören und fühlen, als wäre es MIT EI- NEM Sinn. Dein Gewahrsein fühlt sich dann so frisch, so neu, so lebendig und fließend an. Der Waldgang wird zu einem Abenteuer. Ein derart versammeltes Bewusstsein bildet die Grundlage für deine Präsenz. Es geht im Wald-Yoga nicht so sehr darum, eine erlernte Technik möglichst korrekt auszuführen, vielmehr ist von Bedeutung, wie es gelingt, im Lebensfluss einen kreativen Ausdruck in der Bewegung, in der Haltung und in der Atmung zu finden. Körperhaltungen (Asanas), Atemübungen (Pranayamas) und Meditation (Dhyana) sind die drei essentiellen Methoden im Yoga, die sich alle in der Umgebung des Waldes im versammelten Bewusstsein ausführen lassen. Und in einem versammelten Bewusstseinszustand ist dieser Bewegungsausdruck wahrhaftig. Über die Anbindung an die Erde, die dich trägt, erfährst du Kraft. Diese Energie richtet dich auf und ergreift deinen Brustkorb und deine Atmung. Du fühlst dich schön und stolz in deiner Beweglichkeit. Das, was du nun verkörperst, ist stets unmittelbar und Ausdruck deines Daseins. Du befindest dich fortan im Dialog mit der „Mehr als menschlichen Welt“. Ähnlich einem Vogel, dessen Frühlingslied Ausdruck seiner Verbundenheit ist: Er singt einfach – weil es seine Natur ist – und gleichzeitig gedeihen die Pflanzen um ihn herum besser. Jede echte Beziehung ist reziprok: Wenn du dich ausdrückst, antwortet die Natur. Im Wald-Yoga erkennst du immer mehr, dass deine vermeintliche Trennung von der Natur eine Illusion und keine Wirklichkeit ist. Kannst du dich im Spiegel der Natur selbst erkennen, deinen Wesenskern, deine Quelle, deine Essenz? Wald-Yoga ist eine Einladung, dies zu tun. Reiner Angermeier Weiterlesen Waldverbunden Eintauchen in die Präsenz des Waldes von Andrea Wichterich u. Reiner Angermeier Neue Erde Verlag 2018 E 18.00 Reiner Angermeier ist Yogalehrer, Buchautor, Heilpraktiker in eigener Praxis im Bergischen Land bei Köln, Imker und Naturfreund. Gemeinsam mit seiner Partnerin, Andrea Wichterich, ist er als Seminarleiter vorwiegend in der Natur unterwegs: Sie leiten Schwitzhütten, unterrichten Yoga, veranstalten Kräuterseminare und bilden Wald-Yoga-Lehrer aus. Mehr Infos: gaiaveda.de 33

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