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OMNIA Nr. 16

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Juni 2020 – Ausgabe

Juni 2020 – Ausgabe #16 Eine Wandel-Geschichte Madlen Seigerschmidt erzählt im Interview, wie sie ihren Beruf „Food Artist“ entdeckte. Außerdem hat sie in der Zeit der Corona-Krise etwas Unglaubliches auf die Beine gestellt! Madlen betreibt in Mittweida, einer 15.000-Seelen-Stadt in Sachsen, ein kleines Geschäft und verkauft dort unter anderem ihre handgeschnitzten Essskulpturen und Seifen. Als aufgrund der Corona-Pandemie auch in Mittweida alle Geschäfte schließen mussten, hat sie kurzerhand auf ihrer Homepage einen eigenen Bereich eingerichtet, in dem alle Händler, die keine eigene Homepage haben, Gutscheine verkaufen können. Ich kenne Madlen seit zwei Jahren und weiß, wie wichtig ihr das Miteinander ist. Oftmals sagte sie mir, dass wir gemeinsam viel mehr schaffen würden, aber viele das Konkurrenzdenken nicht aufgeben können. Daher war sie, als ich von ihrer Aktion erfahren habe, meine Corona-Heldin! Madlen, warum hast du deinen Online-Shop für andere zur Verfügung gestellt? Das war meine persönliche Erste-Hilfe-Maßnahme! Als alle schließen mussten, habe ich mir überlegt, dass ich etwas tun muss. Wir müssen ja von etwas leben, und Gutscheinverkauf klappt auch übers Internet. Es lief auch sehr gut an. Zuerst waren einige Händler skeptisch, aber viele kennen mich mittlerweile und wissen, dass ich ein Macher und ein großzügiger Mensch bin. Ich glaube, je mehr man gibt, desto mehr bekommt man zurück. Dann ist die Frage: Gibt man etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Alles kommt zu 100 Prozent zurück ... Ich selbst habe schon viele Krisen gemeistert und dabei oft Hilfe bekommen, jetzt kann ich etwas zurückgeben. Der Service kostet die Händler auch nichts, aber ich sage dazu: Wenn einmal der Tag kommt, an dem du helfen kannst, dann mach es und gib es weiter! Was ist dein Rat, damit man trotz Krise aktiv bleibt und neue Ideen entwickelt? Ich glaube, das geht ganz schnell, wenn man die Selbstverantwortung wirklich übernimmt! In meinem Fall galt das für mich und mein Unternehmen. Ich bin Unternehmerin geworden, weil ich selbst bestimmen möchte, was ich mache. Da kann ich mich nicht hinstellen und immer allen anderen die Schuld geben oder nur darauf warten, dass die mir helfen. Es wird Hilfe vom Staat kommen, aber dazu braucht man Vertrauen ... Ich gehe in die Eigenverantwortung und schaue selbst, was ich machen kann. Ich habe die Wahl und kann sagen: „Da liegt eine Schaufel, da könnte man was tun“, oder ich pack sie und mach es selbst. Man muss was tun, nicht nur reden, sondern tun! Du bist Food Artist in einem kleinen Städtchen in Sachsen. Wie kamst du dazu? Als ich als Food Artist begonnen habe, haben mich alle für wahnsinnig erklärt! Für das Schnitzen von Obst und Gemüse gäbe es keinen Markt, hieß es. Ursprünglich komme ich aus der Gast- Foto: Shutterstock - © Madlen Seigerschmidt 22

onomie, und als ich mit meinem Mann noch ein Kind bekommen habe, suchte ich mir ein zweites Standbein. Ich habe ein bisschen gegoogelt und bin auf das Obst- und Gemüseschnitzen gestoßen. Kurzerhand habe ich mein ganzes Geld investiert und bin zu diesem einwöchigen Seminar. – Es war wirklich sehr teuer, und das Konto war anschließend leer! Ich werde nie vergessen, wie am Ende des Seminars der Kursleiter zu mir sagte: „Frau Seigerschmidt, du bist total talentfrei!“ Mein ganzes Geld war weg! Auf der Heimfahrt überlegte ich mir, was ich jetzt meinem Mann sagen sollte. Ich hatte die Hoffnung, dass er nicht fragt, aber natürlich – das, worauf du dich konzentrierst, das wird im Leben eintreten –, er fragte als Allererstes: „Und, was hat der Meister gesagt?“ Ich so: „Na ja, so grob übersetzt hat er gesagt, das hätte schon Zukunft, ich müsste wohl nur viel trainieren.“ Mein Mann antwortet sehr ungläubig „Echt?! Na so was ...“ Und da dachte ich mir: Euch zeige ich das jetzt! Daraufhin habe ich trainiert und trainiert und trainiert ... In der Zeit las ich auch sehr viele Bücher von erfolgreichen Menschen, und es war nicht einer dabei, dessen Erfolg ihm in die Wiege gelegt wurde! Die haben alle trainiert. Damals lachten mich alle aus, aber das Schwerste war, den Weg zu gehen, den noch niemand gegangen ist. Es gab einen einzigen Menschen, der gesagt hat, das klappt, und der war ich selbst. Ich war bei der Bank, und die wollte Zahlen für meine Selbstständigkeit, aber es gab keine, denn das machte ja niemand! Meine Bank konnte ich dann mit meinem Feuer begeistern ... In Schulen erzähle ich das sehr oft, denn auch wenn man talentfrei ist, kann man doch etwas erreichen. In meinem Kurs zum Beispiel waren Teilnehmer, die konnten viel besser schnitzen als ich, aber am Ende habe ich es zu einem Business gemacht. Ich bin jede Woche bei ganz vielen großen Lebensmittelhändlern und darf ihre Kunden begeistern. Man braucht also kein Talent, sondern den Willen, es wirklich durchzuziehen! Man braucht das Feuer der Begeisterung und das Durchhaltevermögen, dann kann man alles erreichen. Ganz ehrlich, wie hart war der Anfang? Selbst mein Mann sagte: „Um Gottes willen, was wird uns das kosten?“ Es war wirklich niemand da, der sagte, das ist eine gute Idee. Und das war das Schwierigste. Am Anfang war ja vom Erfolg auch noch nichts zu sehen. Die Sachen, die ich geschnitzt habe, wollte niemand, nicht einmal geschenkt für ein Buffet, so schlimm sahen sie aus. Da musste ich manchmal „drüberstehen“ und auch eine Träne wegdrücken, aber man muss dranbleiben. Kurz bevor man denkt, es geht überhaupt nicht mehr, dann kommt der Durchbruch. Und heute liebe ich es, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – ob mit meiner Schnitzkunst oder mit meiner Geschichte. Hast du noch eine Botschaft an die Omnia-Leser? Ich habe das erste Mal das Gefühl, die Welt ist kurz angehalten worden und wir können einmal aus unserem Hamsterrad aussteigen. Dann ist es erst mal sehr still, und teilweise erschreckt uns das. Aber wenn wir jetzt den Mut finden, diese Stille auszuhalten, kann auch etwas Neues und vielleicht, im Nachhinein gesehen, viel Besseres entstehen. Und wir können diese Zeit nutzen: geschenkte Zeit! – Wann bekommt man das sonst? Ich vertraue, ohne in eine Ohnmacht zu fallen. Vertraue und handle. Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin ganz viel Erfolg und Freude! Madlen arbeitet derzeit daran, Online- Kurse in ihr Programm aufzunehmen. Die ersten Videos sind schon auf YouTube veröffentlicht. Zum Shop: essskulptur.de 23

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