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OMNIA Nr. 1

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Februar 2016 - Ausgabe

Februar 2016 - Ausgabe #01 Lieber Han Shan, glaubst du, dass du auch ohne diesen Unfall auf deinen heutigen Weg gekommen wärst? Wer weiβ wirklich, was passiert wäre, wenn der Unfall nicht stattgefunden hätte. Vielleicht wäre etwas anderes geschehen. Vielleicht auch nicht. Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen. Darüber zu spekulieren, macht nicht viel Sinn und hält uns in unseren Vorstellungen gefangen, die mit der Realität nichts gemeinsam haben. Es war so, wie es war und hat dazu geführt, dass ich jetzt so bin wie ich bin. Du hast den Entschluss, als Bettelmönch zu leben, alleine getroffen und warst dann in der Umsetzung sehr konsequent: Die Firma hast du deinen engsten Mitarbeitern übertragen, deinen gesamten Besitz verschenkt. Warum war das notwendig? Ich hatte die Entscheidung getroffen, mich auf den Weg zu begeben, die Tiefen des menschlichen Seins zu ergründen. Hierfür war es wichtig, mich in die bestmögliche Position zu versetzen, die das ermöglichen würde. Für mich war dies ein Grund Bettelmönch zu werden. Es war mir klar, dass mich mein Bezug zur Firma - die ich ja über viele Jahre aufgebaut hatte - immer wieder in eine Welt hineingezogen hätte, die ich eigentlich verlassen wollte. Auf der Insel habe ich dann erkannt, wie schwer es eigentlich war, die Firma mental loszulassen. Wieviel schwerer wäre es gewesen, wenn ich auch weiterhin nur irgendeinen Anteil daran besessen hätte? Kaum in Thailand gelandet, hörtest du den Namen einer Insel „Don Savan“, der Insel des Himmels. Du hast dann auf ihr als Einsiedler zwei Jahre lang gelebt und meditiert. Kannst du dich noch an die ersten Tage erinnern? Was für Gedanken waren bei dir? Zu der Zeit hatte ich viele widersprüchliche Gedanken in meinem Kopf. Auf der einen Seite war ich genau da, wo ich mich hingezogen fühlte und auf der anderen Seite hatte ich eine totale Unsicherheit über das, worauf ich mich wohl eingelassen hatte. Es fiel mir schwer, mich auf die gegebene Situation einzulassen und meinen Geist zu beruhigen. Das tropische Umfeld mit seinen vielfältigen Lebewesen und die Insekten machten die Situation für mich nicht einfacher. Dein persönliches Ziel war, zwei Jahre auf Don Savan zu bleiben und du hast es tatsächlich geschafft! Ganz ehrlich, wie oft kamen dir Zweifel? Sehr oft, speziell in den ersten paar Monaten. Später weniger, aber doch immer mal wieder, über das erste Jahr hinweg. Und was ließ dich trotzdem bleiben? Da war als erstes mein Versprechen zu mir selbst. Versprechen zu sich selbst sind dazu da, sie auch einzuhalten. Viel wichtiger war die Einsicht, dass ich hier auf der Insel ein riesiges Privileg hatte, das mir eine kaum fassbare Gelegenheit gab, das umzusetzen, wozu ich ausgezogen war und wofür ich alles weggegeben hatte. Wie vielen Menschen präsentiert sich solch eine Chance und wie viele Menschen nutzen sie? Nach diesen Jahren strenger Meditationspraxis begann sozusagen erst die „Ausbildung“ zum buddhistischen Mönch. Wie war dein Leben nacher? Nach meiner Zeit auf der Insel ging es mir darum, mich in die Gemeinschaft der Mönche zu integrieren und zu lernen, welche anderen Aufgaben Mönche in Thailand im Austausch mit der Bevölkerung haben. Dazu gehören Rituale, wie z.B. Zeremonien bei Verbrennungen von Verstorbenen, bei Vermählungen, Geburten, Zeremonien zur Einweihung von Buddhastatuen und viele andere. Ich habe mich in dieser Zeit auch sehr intensiv mit 24

Foto: © Han Shan - Shutterstock der Palisprache, der buddhistischen Sakralsprache beschäftigt, in der auch die Chantings der Mönche abgehalten werden. Es waren zwei sehr lehrreiche Jahre, die ich dort im einfachen Waldtempel verbrachte. Phra Ajan Nun, der Abt dieses Tempels und seine kleine Gemeinschaft schufen ein ideales Umfeld, in dem ich tiefgründige Erfahrungen sammeln durfte. Der Begriff „Meditation“ ist bei uns im Westen mit dem Buddhismus nahezu gleichgesetzt und ich möchte dich fragen, inwiefern das deiner Meinung nach überhaupt zwingend in Verbindung steht. Ist die Lehre Buddhas essentiell für die Meditationspraxis, oder kann man auch ohne diese religiöse Verbindung meditieren und „erleuchtet“ werden? Gute Meditation ist die Wissenschaft des Geistes. In allen alten Kulturen dieser Welt, zurück bis zu den Kelten, war Meditation ein vertrauter Begriff und wurde auch praktiziert. Deshalb ist Meditation keine buddhistische Errungenschaft und genauso wenig ist die Lehre Buddhas eine Religion. Bei uns im Westen wurden durch den Wahn der Hexenverbrennung im Mittelalter jegliche Informationen über Meditationstechniken zur Bewusstseinserweiterung im Keim erstickt. So ging dieses wertvolle Wissen den nachfolgenden Generationen verloren. Heute orientieren wir uns nach Osten, um uns damit neu zu bereichern. Meditation hat mit religiöser Ausrichtung nichts zu tun. Beim Meditieren geht es darum, tiefes Wissen, das bei uns Menschen im Ursprung unseres Seins schon angelegt ist, freizusetzen und damit die ultimative Realität hinter der Entstehung der Dinge zu erfassen. Das totale klare und tiefe Verständnis des „Law of Nature“ ist Erleuchtung. Du hast deine eigene Methode zur Übung der Achtsamkeit entwickelt und nennst sie „Insight Mind Focusing“. Bitte erklär uns deinen Weg und was wir damit erreichen. Die Schulung der Achtsamkeit hilft uns als neutraler Beobachter wahrzunehmen, was in unserem Geist gerade vor sich geht. In anderen Worten, wir beobachten uns selbst - unsere Gedanken, Gefühle, Vorstellungen – mit neutraler, aber geschärfter Achtsamkeit, um zu verstehen, wie unser Geist und Verstand funktionieren, anstatt uns von unseren Emotionen hinweg tragen zu lassen. Weil wir dadurch verstehen, womit sich unser Verstand gerade beschäftigt, eröffnen wir uns auch die Möglichkeit, etwas zu verändern. Nehmen wir das Beispiel des Hamsters im Hamsterrad: Wenn der Hamster im Rad ist, sieht er immer nur die nächste Sprosse, die er als sein nächstes Ziel ansieht, ja sogar als seine Erfolgsleiter. Er erkennt nicht, dass sich das Rad weiter im Kreis dreht. Wenn er aber aus dem Hamsterrad heraussteigen würde, um von auβen drauf zu schauen, dann könnte er verstehen, wie es funktioniert. Deshalb ist der achtsame neutrale Beobachter bei der Methode der Achtsamkeit so wichtig. 25

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